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Wie der Zuckerkode entschlüsselt wird

Zucker sind viel mehr als ein Brennstoff für Zellen und Gerüstsubstanzen für Insekten, Krebse oder Pflanzen (Chitin und Zellulose). Wie die Bausteine von Nukleinsäuren oder Proteinen können auch Zucker zu größeren Einheiten (Glykane) verknüpft werden, die in der Natur auf allen Zellen vorkommen. Dies hat, wie wir zu verstehen beginnen, fundamentale Bedeutung: die Buchstaben des 3. Alphabets des Lebens bilden kompakte, biologisch aktive Botschaften. Sie sind für die Kommunikation unter Zellen unerlässlich. Gelesen werden diese Signale von spezifischen Rezeptoren, den Lektinen (lt. legere: lesen). Glykane sind demnach eine strukturelle Basis der Kodierung von Information (Zuckerkode); Lektine lesen die zuckerkodierten Nachrichten und übersetzen sie in Reaktionen wie Zellerkennung oder Wachstumsregulation.

Am Lehrstuhl für Physiologische Chemie werden Grundlagen dafür geschaffen, den Zuckerkode zu verstehen und zu entschlüsseln, und zwar von der Seite der Proteine kommend. Diese Arbeiten waren bisher auf einzelne Mitglieder von Lektinfamilien beschränkt. Durch geduldige Arbeit über mehr als 20 Jahre ist es jetzt gelungen, jedes Mitglied einer Lektinfamilie (der Galektine) genau zu beschreiben. Somit war es erstmalig möglich, die Frage zu beantworten, wie die einzelnen Familienmitglieder im Organismus exprimiert werden, und dies auf der histologisch-zellulären Ebene.

Die diesbezügliche Pionierarbeit am Beispiel der Netzhaut gewährt Einblicke in eine augenscheinlich überaus fein justierte Regulation. Sowohl qualitative Unterschiede als auch überlappende Expression wurden gefunden, also Hinweise auf mögliche Kooperation der Galektine in einem Netzwerk (ein Beispiel einer fluoreszenzmikroskopischen Aufnahme wurde als Titelbild des Heftes, in dem der Beitrag erschien, ausgewählt, gezeigt in der folgenden Abbildung).

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Dieser Publikation (Manning JC, García Caballero G, Knospe C, Kaltner H and Gabius H-J. Network analysis of adhesion/growth-regulatory galectins and their binding sites in adult chicken retina and choroid. J. Anat. 2017; 231: 23-37; https://doi.org/10.1111/joa.12612) wurde nun der „Best Paper Prize 2017“ der Anatomical Society verliehen.Die folgende Abbildung zeigt das Autorenteam.

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Zusammen mit den strukturellen Einsichten, die durch kristallographische Analysen erhalten wurden (der linke Teil der folgenden Abbildung zeigt die Strukturform eines homodimeren Galektins), und der funktionellen Testung von Galektinen, deren Prinzipien im rechten Teil dieser Abbildung illustriert sind, leisten Lokalisationsstudien einen wichtigen Beitrag dazu, den Zuckerkode entschlüsseln zu können.

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Weiterführende Literatur:

  • Gabius H-J (Hrsg) (2009) The Sugar Code. Fundamentals of glycosciences. Wiley-VCH, Weinheim, Germany; Link
  • Kaltner H, Toegel S, García Caballero G, Manning JC, Ledeen RW and Gabius H-J (2017) Galectins: their network and roles in immunity/tumor growth control. Histochem. Cell Biol. 147: 239-256; https://doi.org/10.1007/s00418-016-1522-8
  • Kaltner H, García Caballero G, Ludwig A-K, Manning JC and Gabius H-J (2018) From glycophenotyping by (plant) lectin histochemistry to defining functionality of glycans by pairing with endogenous lectins. Histochem. Cell Biol. 149: 547-568; https://doi.org/10.1007/s00418-018-1676-7
  • Weinmann D, Kenn M, Schmidt S, Schmidt K, Walzer SM, Kubista B, Windhager R, Schreiner W, Toegel S and Gabius H-J (2018) Galectin-8 induces functional disease markers in human osteoarthritis and cooperates with galectins-1 and -3. Cell Mol Life Sci. https://doi.org/10.1007/s00018-018-2856-2