52. Kalenderwoche: Montag
Über Splicing und Editing
Bei der Analyse der Produkte des Splicings ergab sich etwas Erstaunliches: das entfernte Intron kann ein Lasso bilden. Wie das?
snRNPs (small nuclear ribonucleoprotein protocols) und das primäre Transkript interagieren im Zellkern. Zu beachten ist, daß auf der Seite des Introns die Sequenzen 5‘-GU ...... AG-3‘ die Spaltstellen definieren. Zentral für die Bildung des molekularen Lassos (wie beim „self-splicing“) ist die Beteiligung eines Nukleophils an der Transesterifizierung (bitte Esterspaltung, z.B. von Essigsäuremethylester, zeichnend wiederholen, zuerst mit H2O, dann mit Ethanol). Die OH-Gruppe bei der Lassogenerierung ist die 2-OH eines bestimmten Adenosins im Intron. Diese Hydroxylgruppe greift die Phosphorsäurediesterbindung am Intronanfang (also am 5‘-Anfang) an, löst diese unter gleichzeitiger Bildung einer neuen Esterbindung (für das Lasso) auf, so daß sich eine 2‘(Ribose) zu 5‘ (zum G am Intronanfang) bildet: unbedingt vermerken, daß sich nicht nur das Lasso bildet sondern diese Ribose an den 2-, 3- und 5-OH Gruppen Esterbindungen formt – aber der Splicingprozeß ist noch nicht beendet. Die nun freie 3-OH-Gruppe am Exonende wird räumlich umpositioniert in die Nähe der 2. Splicestelle: die beiden Exons verbinden sich, das Splice-Ende (AG-3OH) wird frei (bitte Lasso und die verbundenen Exons zeichnen).
Solche Splicestellen können durch Mutationsprozesse neu in Introns entstehen und funktionell werden, so daß das Splicemuster verändert wird, woraus z.B. eine Form der Thallassämie resultiert.
Und nun zu Erklärungsansätzen, warum es Introns/Splicing gibt (welche haben Sie formuliert?):
- Gene werden durch Introns verlängert, was die genetische Rekombination wahrscheinlicher werden läßt, also Neukombination begünstigt
- wenn Introns eine eigene Funktion (also Exon(s) für eigenständige Gene sind) haben, besteht eine Analogie zur Koregulation in den erwähnten polycistronischen Transkripten
- Splicingfaktoren helfen u.a. beim Transport, weshalb zufällig erzeugte Transkripte ohne die Intron-Exon Struktur abgebaut werden
- Exons entsprechen in einigen Fällen einer Domäne (einem Modul), die durch „shuffling“ in Verbindung mit ihrer Duplikation zur Bildung einer Genfamilie mit diesem Modul führt (z.B. Dehydrogenasen mit Bindungsstelle für NAD+)
- wenn ein Transkript mehrere Exons enthält, kann eine individuelle Splicestelle übersprungen werden. Beispiel: Exons 1, 2 und 3 können ein reifes Produkt 1-2-3 bilden, Splicing kann aber auch Exon 2 übergehen, so daß sich ein Endprodukt mit dem Exon 1 & 3 bildet. Dieser Prozeß wird alternatives Splicing genannt, sehr relevant bei Transkripten mit vielen Introns.
Aus einem Gen entstehen dann mehr als ein Produkt (Prof. Kaltner hat diesen Prozeß 2008/9 auch in der Lektinfamilie entdeckt, für die wir uns interessieren). Allgemeine Informationen zum alternativen Splicing sind zu finden unter: http://www.eurasnet.info/.
Fast 90 % aller menschlichen Gensequenzen enthalten Introns, so daß es sehr wahrscheinlich ist, daß mehrere Funktionen (patho)physiologisch relevant sind. Splicing gibt es übrigens auch auf der Proteinebene.
Wir hatten die Gesamtzahl der Gene durch Renaturierungsanalyse mit ca. 25 000 berechnet. Alternatives Splicing zeigt, daß aus einem Gen mehr als ein Produkt entstehen kann. Die Geninformation kann also „umgeschrieben“ werden. Im Publikationswesen können Texte übrigens von Herausgebern („editors“) verändert werden. Lassen Sie mich noch an einen chemischen Prozeß erinnern, der die DNA Sequenz verändert: die oxidative Desaminierung von C zu U (weshalb T anstelle von U in die DNA eingeführt ist, wie wir ja besprochen haben). Und damit nun zu einem weiteren Umschreibungsprozeß: dem Editing.
Die biochemische Analyse des Apolipoprotein B ergab seine transkriptgerechte Expression (zu apoB-100) in der Leber von Säugetieren (welche Funktion hat dieses Protein?). Eine auf weniger als die Hälfte der Sequenz verkürzte Version (apoB-48) findet sich im Dünndarm, dort in den Chylomikronen.
ApoB-100 enthält 4536 „low density lipoproteins“ (LDL). Die Verkürzung auf 2152 Aminosäuren (auf 48) entfernt diese Bindungsstelle, läßt diese Proteinform weiter Komplexe mit Fettstoffen bilden. Wie erfolgt die Verkürzung?
Aus der mRNA Sequenz geht hervor, daß die Aminosäure 2153 Glutaminsäure ist (besprechen wir das nächste Mal; die sauren Aminosäuren fehlen uns ja noch). Das Triplett CAA kodiert für diese Aminosäure, es wird nicht mehr abgelesen (Details zum genetischen Kode folgen). Warum nicht?
Das Triplett CAA wird enzymatisch im Zellkern (zusammen mit Splicing) in UAA durch positionsspezifische Desaminierung umgewandelt, und dieses Triplett steht für STOP.
Weitere Editingvorgänge sind die A-zu-I (oder zu G) Konversion, auch der zusätzliche Einbau oder der Verlust von Nukleotiden. In mitochondrialen mRNAs von Vertebraten wird die 3‘-terminale Anheftung von A (polyAdenylierung) als Editing verstanden, weil sie ein Stop-kodon generiert. Und hiermit Stop für 2020.
Im Neuen Jahr werden wir uns dann gleich mit der RNA Interferenz und CRISPR – und mit Glu/Asp (und den Säureamiden) – beschäftigen. An dieser Stelle Ihnen allen ein Frohes Fest & ein glückliches 2021!
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Wenn ja, gehen Sie hierfür auf die sli.do Internetseite: https://app.sli.do/event/d3ixzczo
Der Code für Biochemie Fragen im WS 2020/21 lautet: # L072