Physiologische Chemie Tiermedizin
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51. Kalenderwoche: Mittwoch

Über mRNA

Nachdem wir über die Modifizierung eukaryontischer mRNA am 5‘-Anfang („7-Methyl-G cap“ genannt und zuerst bei viraler mRNA entdeckt) gesprochen haben, beschäftigen wir uns heute zuerst mit dem 3‘-Ende. Nahezu alle mRNAs werden (nach vorhergehender Prozessierung) an dieser Stelle durch eine poly(A)-Polymerase unabhängig von der DNA Sequenz verlängert (bei Hefezellen ca. 70-90 Nukleotide, bei Säugerzellen ca. 220-250 Nukleotide). Bitte beachten: ATP wird also für eine DNA-unabhängige Sequenzverlängerung der mRNA genutzt, biochemische Energie wird für Funktion investiert.

Methodisch bietet dieser sog. PolyA-Schwanz die attraktive Möglichkeit dazu, mRNA Moleküle durch Affinitätschromatographie zu isolieren (bitte konzipieren Sie diesen Ansatz als Gedankenexperiment unter Nutzung der Ihnen bekannten Basenkomplementarität. Welche Möglichkeiten der Elution sehen Sie?). mRNA für Histonproduktion verfügt übrigens nicht über dieses Sequenzmerkmal.

Genauer betrachtet erfolgt die Verlängerung nicht einfach durch umgehende Anheftung. Jedes primäre Transkript enthält ein Polyadenylierungssignal (AAUAA) stromaufwärts, das zur Anheftung eines Proteinkomplexes führt (CPSF: cleavage and polyadenylation specificity factor; mindestens fünf Untereinheiten). Dieser Komplex identifiziert die Spaltstelle im 3‘-Endbereich, die Spaltung an der genau festgelegten Position wird dann in Zusammenarbeit mit Erkennung einer weiteren „downstream“ Sequenzerkennung durch CPSF73 durchgeführt. Die Beteiligung von Sequenzsignalen (auf der mRNA) und von Proteinkomplexen unterstreicht die physiologische Bedeutung des PolyA-Schwanzes, bei Funktionsminderung eine Ursache für Thalassämie (welche Form der Krankheit ist dies? Bitte beachten: Abweichungen im Spleißing sind ebenfalls Ursache für Thalassämie; später mehr hierzu), auch für metachromatische Leukodystrophie oder Fabry Krankheit und Ausfall des „insulin-like growth factor 1“.

Grundsätzlich erfolgen diese beiden Prozessierungsschritte am Anfang und Ende der prä-mRNA im Zellkern, sind daher am Transport aus dem Zellkern beteiligt, schützen die RNA vor Abbau und vermitteln ihre Funktion durch korrekte Bindung an Ribosomen („translational initiation“). Und es passiert noch viel mehr mit den Transkripten.

Zuerst ein Blick hinüber zu eubakteriellen RNAs, um die weiteren Erklärungen vorzubereiten. Im 5‘-Anfangsbereich kann es nicht-translatierte Bereiche („un-translated regions“: UTRs) geben. Wie es Peptide können, falten sich auch Nukleotidsequenzen, hier Basenkomplementarität nutzend, wenn entsprechende Kontakte möglich sind, was uns zu einer grundlegenden Erkenntnis führt: Biomoleküle aus Aminosäuren und aus Nukleotiden können beide Rezeptoren bilden, die Biomoleküle spezifisch binden, die danach sogar katalytisch aktiv sein können, wie Sie es ja von Enzymen kennen.

Solche 5‘-UTRs können somit Sensorelemente für bestimmte Stoffe darstellen, die aufwändig synthetisiert werden, z.B. Vitamin B12, Flavinmononukleotid (FMN), Thiaminpyrophosphat oder S-Adenosylmethionin (bitte jetzt für jede Substanz biochemische Funktionen beispielhaft beschreiben). Nach Bindung dieser Substanzen an ihre 5-UTR Kontaktstelle (Aptamer genannt) wird der Schalter („switch“) für die Genexpression für die Synthese auf „Stopp“ gesetzt, die Translation der kodierenden Sequenz blockiert, weshalb diese Sequenzelemente Riboswitches (RNA-basierte Schalter) genannt werden. Hiermit ist jetzt die Besprechung katalytischer RNA (sog. Ribozyme, in Analogie zu Enzymen („in der Hefe“, zuerst als vergärende Aktivität in Hefe detektiert)) vorbereitet.

Solche gibt es in E. coli bei der Prozessierung von polycistronischen Transkripten. Diese ermöglichen die Ko-expression von genetischen Kodierungseinheiten (s. Lac Operon). Im Falle von Komponenten des Translationsapparates, also ribosomale (+) und transfer (+) RNA Einheiten, müssen diese längeren Fäden positionsspezifisch geschnitten werden. RNase P ist eine solche Schere, eine katalytische RNA (Endonuklease) bei Eubakterin, bei Eukaryonten ein Ribonukleoprotein mit katalytischer RNA (bitte Telomerase & RNase P vergleichend definieren und den Unterschied herausarbeiten).

Nach dieser Vorbereitung nun zum Geschehen zwischen 5‘-cap und Poly-A-Schwanz bei Eukaryonten. Auffallend war, daß das primäre Transkript im Zellkern deutlich länger als die reife Version der mRNA in der Translation sein kann, und die trotz Erhalt von 5‘-Anfang und 3‘-Ende. Es werden als Sequenzelemente („intervening regions; introns“) durch molekulare Scheren entfernt, so daß exprimierte Regionen (Exons) übrig bleiben. Sie werden nach Excision der Introns durch Ligasen (wie Ihnen von der DNA Replikation bekannt) verknüpft. Dieser Prozeß kann autokatalytisch (auf der Ebene der RNA als katalytisches Molekül durch Transesterifizierung ablaufen; so unter Einsatz eines Kofaktors, z.B. Guanosin, dessen 3‘-OH Gruppe die Esterspaltung initiiert) oder durch Ribonukleoproteinkomplexe (sog. small nuclear ribonucleoprotein(s): snrps) ausgeführt werden (an der biochemischen Aufreinigung einer Ligase hatte ich 1981 das große Vergnügen in John Abelsons Labor an der University of California San Diego beteiligt gewesen zu sein). Und nun die fundamentale Aufgabe für Sie:

Warum gibt es diese Form der Verkürzung der mRNA, Spleißing genannt?? Nach dem Wochenende (bitte in der Zwischenzeit unbedingt Ideen entwickeln, warum Spleißing für Sie Nutzen haben kann) erwarten Sie Evidenz-basierte Vorschläge aus der wissenschaftlichen Literatur.

Haben Sie Fragen?

Wenn ja, gehen Sie hierfür auf die sli.do Internetseite: https://app.sli.do/event/d3ixzczo

Der Code für Biochemie Fragen im WS 2020/21 lautet: # L072