49. Kalenderwoche: Montag
Wieviel Gene gibt es?
Unsere Erbsubstanz besteht aus ca. 3,3x109 Basen, bei der Maus sind es nur ca. 10% weniger, bei Amphibien treffen wir noch höhere Zahlen an. Die Konturlänge der DNA einer Zelle erreicht übrigens ca. 2 Meter (erstaunlich, die Gesamtlänge Ihrer Erbsubstanz, aufsummiert über alle Ihrer Zellen, ist deutlich größer als der Abstand der Erde zur Sonne). Wir stehen also vor riesen Verpackungsproblemen, die gelöst sind (dazu mehr am Ende, wenn Sie am Zug sind).
Nun zuerst zur Berechnung der Genzahl (Genom definiert die Gesamtheit aller proteinkodierenden Gene in der Erbsubstanz). Die experimentellen Informationen dazu liefert die Renaturierungsanalyse (so einfach durchzuführen, daß ich in meinem Studium eine entsprechende Analyse an einem Wochenende durchgeführt habe).
Zelluläre DNA wird isoliert (s. Kurs) und mechanisch in Stücke fragmentiert; danach werden die beiden Ketten der Doppelstränge durch Temperaturerhöhung voneinander getrennt (thermische Denaturierung; die H-Brücken werden aufgehoben). Sinkt danach die Temperatur, erfolgt durch deren Rückbildung aufgrund der Basenkomplementarität die Bildung der Doppelstränge (Renaturierung). Die optische Dichte der Lösung fällt (hypochromatischer Effekt; Resonanzphänomen). Thermische Denaturierung bei DNA ist (im Gegensatz zu Proteinen) vollständig reversibel.
Analysiert man im Renaturierungsexperiment den Prozentsatz an doppelsträngiger DNA über einen festgelegten Zeitraum in Abständen, erhält man die Renaturierungskinetik. Bei E. coli DNA erhalten Sie einen Verlauf mit einem sigmoidalen Anstieg nach einer gewissen Zeit (neben der Messung der optischen Dichte (OD) ist auch quantitative Trennung von einzel- und doppelsträngiger DNA durch Chromatographie an Hydroxyapatit leicht machbar). Die eubakterielle DNA besteht demnach aus vielen sequenzmäßig unterschiedlichen Regionen, deren Einzelstränge sich mit gleicher Wahrscheinlichkeit zur Doppelstrangbildung finden.
Bei Eukarionten sieht das ganz anders aus: Sie erhalten drei Stufen. Zeichnen Sie also ein Diagramm (x-Achse: Zeit; y-Achse: % doppelsträngige DNA von 0-100 %) mit drei Stufen: hochrepetitive Sequenzen bilden sehr schnell Doppelstränge (wie sich die Fans der Heimmannschaft bei Sportveranstaltungen schnell zu Paaren finden könnten), dann folgt Stufe 2 (mittel-repetitiv), zuletzt auf Stufe 3 solche Sequenzen, die nur einmal in der Erbsubstanz vorkommen (daher „unique“ genannt).
Um nun die Zahl der proteinkodierenden Gene zu bestimmen, setzen wir eine entsprechende Sonde ein, isoliert aus Zellen: mRNA (besprechen wir noch). Sie wurde radioaktiv (14C, 3H oder 32P) markiert (geht auch mit Fluoreszenzmarkierung, bitte die Begriffe „Isotop, Radioaktivität, besonders β-Strahlung und Fluoreszenz“ wiederholen) und als Sonde dem Renaturierungsansatz zugesetzt. Diese Sonde wird nun mit komplementärem DNA Strang einen Doppelstrang bilden können. Natürlich wird diese Sonde in hoher Konzentration relativ zur DNA Konzentration eingesetzt, um Gene aufzuspüren: warum? DNA-RNA Hybride bilden sich im Experiment fast ausschließlich mit „unique“ DNA, und dies bis zu einem Plateauwert von ca. 3 % für einen Zelltyp.
Wir fassen zusammen: ca. 20 % der Erbsubstanz stellt „unique“ DNA dar, also ca. ein Fünftel von 3,3 x 109 Basen, sagen wir so 6,8 x 108 Basen; davon sind für einen gewählten Zelltyp 3 % kodierend für mRNA, also ca. 2 x 107 Basen. Wie kommen wir von dieser Zahl zur Zahl der kodierenden Gene? Bitte erst überlegen, danach lesen.
Wir brauchen eine Beziehung zwischen Basenanzahl und Proteinen. Nehmen wir für Proteine ein mittleres Molekulargewicht von ca. 72 000 Da an (aus Proteomanalysen mit zwei-dimensionaler Gelelektrophorese), dann für Aminosäuren durchschnittlich 120 Da, dann kommen wir auf ca. 600 Aminosäure/Protein, was einer Kodierungskapazität (genetischer Kode; besprechen wir; Triplettkode) von so ca. 2000 Basen (3 x 600) entspricht. Die Zahl der gemessenen Basen geteilt durch diese Zahl ergibt ca. 10 000 Gene. Da im Körper viele Zelltypen mit eigenem Expressionsprofil vorhanden sind, erhöht sich diese Zahl in Richtung auf 25 000 (genau der Bereich, den die hochtechnische Kartierung der DNA ergeben hat).
Dies bedeutet, daß neben für mRNA kodierende Bereiche in unserer DNA auch weitere Sequenzelemente vorhanden, keineswegs „junk oder selfish DNA“, wie man leichtfertig angenommen hat (mehr dazu später). Nun zur Lösung des Verpackungsproblems.
Ionische Bindungen lösen das Verpackungsproblem
Nukleinsäuren sind bei physiologischem pH negativ geladen (3-wertige Phosphorsäure; ginge nicht mit Schwefelsäurediestern! Bitte unbedingt diesen anorganisch-chemischen Punkt beachten).
Für eine Verpackung eignen sich Proteine, und damit liegt der Ball bei Ihnen: welche (elektrostatische) Eigenschaft müssen solche Proteine haben? Mit dem Begriff „isoeletrischer Punkt“ argumentierend, ist somit die Wahl geeigneter Aminosäuren möglich: welche ist/sind dies? Und wie kann dann die DNA-Protein Bindung reversibel ab- und wieder angeschaltet werden (Tipp: Modifizierung von Aminosäuren betrachten)? Nun, die Art der biochemischen Veränderung und den entsprechenden Donor (und seiner Herstellung/Regenerierung) haben wir schon besprochen: nun sind Sie am Zug (noch ein Tipp: wir besprechen die Histone).
Haben Sie Fragen?
Wenn ja, gehen Sie hierfür auf die sli.do Internetseite: https://app.sli.do/event/d3ixzczo
Der Code für Biochemie Fragen im WS 2020/21 lautet: # L072