49. Kalenderwoche: Mittwoch
Wie DNA gepackt wird
Wie schon erwähnt, ist die durchschnittliche Länge von DNA in Chromosomen (beim Menschen 2 x 23 Paare) ca. 5 cm (oder 1.3 x 108 Basen). Wie können so lange DNA Fäden in einem Zellkern mit einem Durchmesser von ca. 10 µm (0.01 mm) untergebracht werden?
Die Aufteilung der DNA auf 46 Chromosomen hilft (ein einziger ganz langer Faden wäre sehr schwierig zu kompaktieren). Und jetzt kommt Kontaktbildung mit Proteinen ins Spiel. Diese Proteine (Histone) sind basisch, der isoelektrische Punkt liegt im Bereich von 9-10, bedingt durch basische Aminosäuren. Welche Aminosäuren sind gemeint?
Es handelt sich um Arginin (Arg) und Lysin (Lys) (bitte jetzt die Formeln aufzeichnen). Beide Stoffe enthalten für die Aufnahme eines Proteins geeignete Akzeptoren (freie Elektronenpaare), die Guanidino-Gruppe und die epsilon-NH2 Funktion (Lys; sich „epsilon Amino“ zu merken erleichtert es, sich die Kettenlänge zu merken). Der Begriff „Guanidino“ ist Ihnen schon auf dem biosynthetischen Weg von Glycin zu Kreatin begegnet, Arg als Donor dieser Gruppe bei der Bildung von Guanidinoessigsäure. Bitte beachten Sie, daß diese Guanidinogruppe aus CO2/NH3 (also aus „molekularem Abfall/Gift“, fixiert als Carbamoylphosphat - und Asp-NH2) besteht, ein lehrreiches Beispiel für Recycling.
Die beiden Stickstoffatome dieser Gruppe bieten zwei räumlich fixierte Partner für Wasserstoffbrücken an. Nach Übertragung dieser Gruppe entsteht Ornithin, dann, wie schon besprochen, Glutaminsäuresemialdehyd, Pyrrolincarboxylat und Prolin (oder Glutamat/alpha-Ketoglutarat).
Lysin bietet aufgrund seiner Kettenlänge einen beweglichen Arm für Kopfgruppen nach deren Konjugation an die Aminofunktion, so das Biotin in der Fettsäuresynthase. Im Kollagen unterliegt Lys der Oxidation durch Lysin-(Amino)Oxidase, was die Quervernetzung einleitet. Der entstehende Aldehyd(Al-lysin) geht paarweise eine Aldolkondensation (bitte aus der Chemie ableiten, ein Enolatanion addiert an das gegenüberliegende Carbonyl) ein.
Das Auftreten von Lathyrismus im Skelett und im Kreislaufsystem (nach Verzehr von Samen der Gartenwicke Lathyrus odoratus) unterstreicht die physiologische Bedeutung der Lys-abhängigen Quervernetzung. Das beta-Aminopropionitril (bitte Formel zeichnen; Propionitril enthält welche Funktionalität?) inhibiert die Oxidation der Aminofunktion zum Aldehyd, was zu Fehlbildungen von Knochen und Aortenaneurysmen führt. Chronische neurologische Probleme entstehen übrigens durch beta-Oxalylamino-L-alanin (Lathyrismus-Neurotoxizität). Im Elastin führt die bimolekulare Reaktion von Lysin- und Allysinseitenketten zu einer Schiffschen Base (und dann zu Lysinonorleucin) oder im Falle der Beteiligung von drei Aldehyden zum Pyridinderivat Desmosin. Auf diese Weise enthält Elastin ohne Superhelixbildung eine gummielastische Eigenschaft.
Nun zurück zu den Histonen: eine von ca. vier Aminosäuren ist Arg oder Lys, was den hohen pI Wert erklärt. Histon(H)proteine H2A, H2B, H3 und H4 lagern sich zu molekularen „Perlen“ (Oktameren) zusammen. Diese werden durch die Schnur (DNA) verbunden („perls on a string“), wobei dieser Faden in 1,75 Windungen um die Perle läuft. Die Säurefunktion der Phosphorsäure und die positive Ladung der besprochenen Aminosäuren sind zentral für den Kontakt. Diese strukturelle Einheit ist das Nukleosom. Solche Einheiten können sich dicht gepackt zusammenlagern: es entstehen Polynukleosomen (Solenoide). Und Histone können noch mehr.
Sie sind an der Genregulation beteiligt, indem ihre positive Ladung (damit ihr Kontakt zur DNA) reduziert wird. Die Aminofunktion von Lys wird (mit Acetyl-CoA) acetyliert. Acetylierung kann demnach Gene aktivieren. Wie im Falle der Prozessierung von Cytosin gehört auch die Methylierung zu den epigenetischen Schulterprozessen auf der Ebene der Histone (Donor ist S-Adenosylmethionin). Die beiden genannten Modifikationen sind reversibel, können also ausradiert werden. Zusätzlich zur Beeinflussung des Kontaktes stellen Acetylgruppen auch Erkennungssignale für Rezeptorproteine dar.
Auf allen genannten Ebenen werden Wirkstoffe zum Einsatz in der Therapie, besonders in der Onkologie, getestet; man spricht auf der Information auch von einem Histonkode, gelesen durch Proteine. Und damit kommen wir von der Struktur der DNA und ihrer Verpackung zum Funktionsprofil, zuerst zur Replikation auf der Basis der Basenkomplementarität. Als erstes lösen wir das Problem, wie aus Bausteinen ein Polymer entsteht (Ordnung nimmt zu), wie schon erwähnt.
Die Synthese muß thermodynamisch begünstigt werden (exergonisch) und mit hoher Ausbeute ablaufen. Aus der Chemie kennen Sie Prinzipien hin zu diesem Ziel: Einsatz energiereicher Bindungen und Entfernung eines Endproduktes aus dem Gleichgewicht.
Esterbildung aus Nukleotidtriphosphaten führt zu Pyrophosphatfreisetzung (s. Polarität); die hydrolytische Säureanhydridspaltung führt a) zu Energiegewinn und b) zur Entfernung eines Produktes aus dem Gleichgewicht (bitte am Beispiel der Reaktion von GTP mit ATP zeichnen). Die Replikation erfolgt semikonservativ (Meselson-Stahl Experiment mit Medium mit dem 15N-Isotop als Stickstoffquelle). Wachsen Bakterien eine Generationszeit in diesem Medium, entsteht ein DNA-Doppelstrang mit einem 15N-markierten Einzelstrang (analysiert durch Ultrazentrifugation, die Doppelstränge nach Masse trennt, also 14N-14N von 14N-15N und 15N-15N). Da sich ein Polymer bildet, heißen die Enzyme Polymer-asen (für DNA & RNA). Mehr dazu das nächste Mal.
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