48. Kalenderwoche: Montag
Gesucht und gefunden: Prolin
Die gesuchte Aminosäure heißt Prolin: (Pro). Wenn wir die Harnstoffbiogenese durch Spaltung von Arginin zu Harnstoff und Ornithin mit Biosynthese verknüpfen, gelangen wir von Ornithin durch delta-Transaminierung zu Glutamatsemialdehyd, der zu Pyrrolincarboxylat unter Wasserabspaltung zyklisiert; dessen Reduktion führt zu Prolin (bitte zeichnen).
Was Sie jetzt vor sich sehen, ist keine Aminosäure: die Aminofunktion ist als Imin Teil des Ringes. Dies hat u.a. die Konsequenz, daß die reguläre Einbindung dieser Substanz in eine alpha-Helix relativ ungünstig ist. Eine weitere Eigenschaft von Pro verdient Ihre Beachtung.
Die Peptidbindung kommt regulär in der trans-Form vor (die beiden C-Atome der aufeinanderfolgenden Aminosäuren stehen auf gegenüberstehenden Positionen). Der Grund ist eine Destabilisierung in der cis-Konfiguration aus räumlichen Gründen (ca. 8 KJ/mol). Wenn nun Pro in eine Peptidbindung eintritt, wird dieser Energieunterschied abgesenkt: ca. 10% der Pro-Positionen führen zur Etablierung von cis-Peptidbindungen. Diese Möglichkeit der trans-zu-cis Isomerisierung stellt einen biochemischen Schalter in Proteinen dar (bitte zeichnen). Wer an dem Weg der Entdeckung solcher Bindung interessiert ist, kann ein Beispiel aus unserer Arbeit unter Miller et al., im Biochem. Journal 2020 im PubMed Archiv finden.
Ein weiteres besonderes Merkmal von Pro ist seine Modifizierung nach Einbau in Kollagen, also post-translational. [Bitte beachten Sie: die nun folgende Besprechung hat große Bedeutung als Analogie für den 2. Teil des Textes für heute.]
Wie bei Gly schon erwähnt, bildet Kollagen eine Tripelhelix mit Gly an jeder 3. Position der Sequenz (aus räumlichen Gründen). Die Sequenz Gly-Pro-Hydroxypolin ist häufig anzutreffen, Hydroxylierung erhöht die Stabilität der Tripelhelix. Wie die Erkennung des Zusammenhanges von Skorbut mit Ascorbat (Vit. C) unterstreicht, ist das Vitamin beteiligt. Anstelle als Wasserstoff-Donor zu fungieren (s. Tyr-Abbau), werden Prokollagen-Hydroxylasen durch Ascorbat aktiviert. Das Sauerstoffdiradikal dient als O-Donor dieser Monooxygenase. 2-Oxoglutarat ist das Kosubstrat (entsteht nach Transaminierungsreaktion und der Glutamat-Dehydrogenase-Reaktion aus Glutamat); es wird oxidativ zu Succinat decarboxyliert. Das 2. Sauerstoffatom bildet die neue Hydroxylgruppe des Prolins (bei der Phenylalanin-4-monooxygenase besprechen wir ein weiteres Beispiel). Wie im Falle von Ser/Thr (und auch Lys) dient diese Funktionalität als Akzeptor von Monosaccharid (Glc/GalNAc) bei Glykosylierung. Diese Reaktion(en) erreicht/erreichen die hohe Stabilität des Kollagens, die durch Quervernetzung (von Lysin; besprechen wir später) garantiert wird.
Da ca. ein Drittel der Proteinmasse des Menschen von Kollagen gebildet wird, darf Pro keine essentielle Aminosäure sein. Wie im Falle des Prolins hiermit dokumentiert, ist die molekulare Modifizierung von Bausteinen eines Biopolymers auch bei Nukleinsäuren von herausragender Bedeutung, was uns zur Beantwortung der Frage führt, warum nicht Uracil (U) sondern Thymin (T) als Pyrimidinbase in der DNA auftaucht (bitte Formeln aufzeichnen).
Warum T statt U in der DNA?
Um diese Frage zu beantworten, zeichnen wir zuerst unter die Formel von U die Formel von Cytosin (C). Wir erkennen, daß sich U und C in der Funktionalität an C4 unterscheiden. Durch den spontan sehr selten ablaufenden Prozeß der oxidativen Desaminierung wird C in U überführt (enzymatisch erfolgt dieser Prozeß bei einer Form des mRNA Editing).
Wenn also DNA regulär U enthalten würde, entspricht dieser Prozeß der Einführung einer Mutation. Die Bildung von U aus C muß also als Fehler durch ein Überwachungs- und Korrektursystem erkannt werden, und U darf somit nicht originärer Bestandteil der DNA sein: dies muß ein modifiziertes „U“ sein. Es muß, wie U, spezifisch mit A paaren (zum A-„U“ Paar, die molekulare Substitution darf also nicht die an der Paarung beteiligten Gruppen betreffen und die Keto-Enol-Tautomerie verschieben. Ferner muß sie klein sein, um die Doppelstrangbildung nicht zu behindern, was zu ................ Methyl führt. Die C6-Position ist sehr dicht an der Desoxyribose, C5 Akzeptor räumlich geeignet: 5-Methyl U (=T) ist also ideal als DNA Baustein (unterschiedlich genug von U – aber funktionell geeignet.
Woher kommt diese Gruppe? .... hatten wir besprochen. Ser ist ihr Donor, Desoxyuridylate wird also durch Thymidylatsynthase zu Desoxythymidylat methyliert. Das C5 Atom verfügt jedoch nicht über ein freies Elektronenpaar für eine einfache Einführungsreaktion. Das Methylkohlenstoffatom kann somit nicht von S-Adenosylmethionin (schon besprochen) stammen. Donor ist N5, N10-Methylentetrahydrofolat; da ein Methyl das Produkt darstellt, muß ein Reduktionsschritt erfolgen. Ein Hydrid(an)ion aus der Tetrahydrofolsäure (THF) dient als Elektronenquelle (Oxidation zu Dihydrofolat) und als „Methylen“-Donor. Dihydrofolat muß zur Regeneration von THF durch Reduktase (NADPH abhängig) regeneriert werden. Zellwachstum läßt sich somit hemmen, wenn dieses Enzym inhibiert wird, z.B. in der Chemotherapie durch Methotrexat (die Thymidylatsynthase wird durch Fluoruracil (5-FU) irreversibel gehemmt; es bildet sich ein kovalentes Addukt). Resistenzentwicklung bei Tumoren beruht auf verminderter Aufnahme der Substratanalogie, reduzierter Affinität oder auf erhöhter Genzahl durch Duplikation. Somit bilden G, C und A, T (nicht U) die vier Buchstaben der DNA.
Nun steht in der Fachliteratur, daß es mehr als vier Nukleotidbuchstaben gibt. Könnte uns das Beispiel der Modifizierung von Pro, das wir heute im ersten Teil besprochen haben, helfen, dies zu verstehen? Könnte es didaktisch nützlich sein, für Analogie offen zu sein??
Haben Sie Fragen?
Wenn ja, gehen Sie hierfür auf die sli.do Internetseite: https://app.sli.do/event/d3ixzczo
Der Code für Biochemie Fragen im WS 2020/21 lautet: # L072