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45. Kalenderwoche: Mittwoch

Was „chemische Bindung“ bedeutet

Die kovalente Bindung sichert die Stabilität von Molekülen, gibt der Anordnung ihrer Atome räumlich und zeitlich Struktur. Der Grad der Stabilität nimmt bei nicht-kovalenter Bindung in folgender Reihenfolge ab:

  • ionische Bindung
  • Wasserstoff (H)-Brückenbindung
  • van der Waals Kräfte (Dipol-basierte transiente Wechselwirkungen)

Bei Biopolymeren ist aufgrund ihrer Größe zu beachten, daß sich Beiträge einzelner Bindungen aufaddieren. Wenn also eine Reihe von H-Brücken gebildet werden, kann ein Biomolekül eine bestimmte räumliche Konfiguration (Konformation) erlangen. Die Energiedifferenz zwischen Konformation (Umordnung weniger H-Brücken) ist gering, was Umfaltung ermöglicht, z.B. durch Bindung von Substraten.

Beachten Sie bitte, daß H-Brücken eine (räumliche) Direktionalität aufweisen. Im Gegensatz zu ionischen Interaktionen (z.B. im Ionengitter im Raum nach allen Richtungen wirkend), können Sie sich eine H-Brücke wie einen ausgestreckten Arm vorstellen (mit Handschlag).

Um dieses Prinzip zu erfassen, zeichnen Sie das Wassermolekül (mit seinen zwei Elektronenpaaren) in die Blattmitte. Nun ergänzen Sie Ihre Zeichnung durch Einfügung weiterer Wassermoleküle, so daß sich für das zentrale Molekül vier H-Brücken ergeben.

Die Bildung solcher Kontakte erklärt die relativ zu Ethern und Alkoholen deutlich höhere Siedetemperatur. Im Wasser ist die Bildung solcher Kontakte dynamisch reversibel, d.h. die Struktur des Wassers ändert sich ständig, bleibt also begrenzt geordnet. Die Dichte flüssigen Wassers ist bei 4 °C höher als für Eis (weshalb Wasser von oben nach unten gefriert). Die Betrachtung des Grades der Unordnung (Entropie) führt uns zu einer fundamental wichtigen Form der Selbstorganisation der Struktur von Biomolekülen.

Zu deren Verständnis führen wir ein (Gedanken)Experiment durch: Sie Tropfen Öl auf eine Wasseroberfläche, sagen wir so 10 kleine Tropfen, und lassen dann das Gefäß stehen. Nach einiger Zeit wird der Grad der Unordnung (die Zahl der Öltröpfchen) kleiner, weil sich Tröpfchen zu einem großen Tropfen vereinigen. Warum?

Als Grundlage zum Verständnis benötigen wir zwei Werkzeuge/Informationen:

  1. die Gibbs-Helmholtz Gleichung (bitte aufschreiben)
  2. die Erkenntnis, daß sich Wassermoleküle an Oberflächen wasserabweisender (hydrophober) (Fett)Stoffe räumlich in einem Grad höherer Ordnung als im Wasser befinden (die Struktur des Wassers ändert sich kontextbezogen).

Wie Sie aus der Chemie wissen, kann eine Reaktion spontan ablaufen, wenn der delta G-Wert (Gibbs‘ freie Energie) kleiner als Null (also negativ) ist. Was passiert also bei Verringerung der Kontaktfläche zwischen Öltröpfchen und Wasser? Ist diese Reaktion enthalpisch (H) oder entropisch (S) getrieben?

Bezogen auf Biomoleküle können sich hydrophobe Oberflächen in Wasser zu organisierten Struktur(elementen) zusammenfinden (aggregieren) – ein erstaunlicher Prozeß! Bei Proteinen gilt dies für Regionen mit Aminosäuren wie Leucin (verzweigte Kohlenwasserstoffkette) oder Phenylalanin (unsubstituierter Benzolring), bei der Erbsubstanz (DNA) werden die Nukleotidbasen (wie ein Stapel von Tellern, „stacking“ genannt) kompakt übereinander gestapelt.

Auf Wunsch der Vorlesungsteilnehmer vorhergehender Jahrgänge haben wir uns in jeder Stunde am Anfang des Wintersemesters die Wunderwelt der proteinogenen Aminosäuren angeschaut: daher hier dann auch dieses Angebot.

Wie Legosteine enthalten Aminosäuren zwei Adapterstellen für die Kettenbildung: die Amino- und die Karboxylfunktionen (auch namensgebend). Bitte beachten: die Peptidbindung wird unabhängig von der Natur der einzelnen Aminosäure gebildet!

Schauen wir uns die ersten beiden Aminosäuren an: Gly(cin)/Ala(nin). Warum kommt Gly regelmäßig an jeder dritten Position in Kollagen vor? Gly ist die kleinste Aminosäure, nimmt also am wenigsten Platz in der Tripelhelix des Kollagens ein. Eine Mutation würde diese Strukturbildung stören, Ala mit einer Methylgruppe anstelle von H am wenigsten. Diese beiden Aminosäuren sind also relativ klein, neutral und ohne besondere funktionelle Gruppe für Reaktivität.

Im Intermediärstoffwechsel hat Gly zentrale Funktionen: Baustein für die Kreatinsynthese, Umwandlung zu Glyoxylat mit Bildung von N-Formyltetrahydrofolsäure, Bildung von Serin, dann Cholin, Betain und Sarkosin in einem Zyklus hin wieder zu Gly. Ala ist durch reversible Umwandlung in Pyruvat (durch Transaminierung) am (wie es der Name sagt) Alaninzyklus beteiligt (Muskel und Leber sind durch Laktat/Glucose Austausch auch durch den Cori-Zyklus verbunden): welche Funktionen schreiben Sie diesen beiden Zyklen zu?

Biosynthetisch wird uns Gly als Baustein in der Purinbiosynthese (Aminosäure wird Purinbase!) und in der Porphyrinbiosynthese begegnen (nächste Stunde schauen wir uns Serin & Threonin an).

Haben Sie Fragen?

Wenn ja, gehen Sie hierfür auf die sli.do Internetseite: https://app.sli.do/event/epjlskgl

Der Code für Biochemie Fragen für diese 45. Kalenderwoche lautet: 59832