4. Kalenderwoche: Montag
Von mRNA zum Protein (IV)
Mit der mRNA und den tRNAs (sowie einer Reihe von assistierenden Proteinen für Initiation, Elongation und Termination) ist das Ribosom für die Proteinbiosynthese verantwortlich. Es ist ein Ribonukleoproteinkomplex aus rRNA und Proteinen, bestehend aus zwei Untereinheiten.
Das Ribosom bringt mRNA und tRNA in die relative räumliche Konstellation zueinander, die für den Fließband-ähnlichen Produktionsprozeß für Proteine notwendig ist. Um eine Peptidbindung zu knüpfen, müssen zwei mit Aminosäure beladene tRNAs positioniert werden, und dies mit Komplementarität im jeweiligen Antikodonbereich zu den passenden Kodons der mRNA, wobei sich relative Nähe der funktionellen Gruppen für die Proteinbiosynthese ergeben muß. Diese räumliche Nähe ist die Voraussetzung für die Bildung der Peptidbindung. Angetrieben von einem biochemischen Motor, der seine Energie aus der Hydrolyse von GTP zu GDP+P bezieht, bewegt sich das Ribosom danach koordiniert um ein Triplet im Rahmen der Elongation voran zum Ende der mRNA.
Ribosomen bestehen aus zwei Untereinheiten, die nach ihrem Sedimentationkoeffizienten in der Ultrazentrifugation (Svedberg = S; zu Ehren des schwedischen Chemikers Theodor Svedberg, der an der Universität Uppsala analytische Ultrazentrifugen konstruierte) klassifiziert werden (30S & 50S, im Komplex 70S bei E.coli; bitte beachten: das Sedimentationsverhalten im ausschwingenden Zentrifugenröhrchen ist von Masse und Form abhängig, weshalb sich die Werte nicht einfach aufaddieren).
Bei Eubakterien beginnt die Proteinbiosynthese (Initiation) mit der Positionierung der mRNA am Ribosom: Basenpaarung zwischen der 16S rRNA und dem nicht-translatierten Bereich am 5‘-Anfang der mRNA ermöglicht die geeignete Platzierung des AUG-Startripletts, dreo Initiationsfaktoren (IF2 GTP-beladen) assistieren hierbei und positionieren die Initiator-tRNA (Formyl-Met; blockierte Aminogruppe!) am Ribosom, und zwar an der sog. Peptidyl (P)-Stelle. Bei Eukaryoten erfolgt diesem Prozeß ohne den rRNA-mRNA Kontakt, dafür mit Teilnahme der 7-Methyl-G Struktur und ihrer Erkennung durch den eukaryotischen (e) Initiationsfaktor (IF) eIF4F.
Die Elongation wird vorbereitet durch die Beladung der zweiten Andockstelle am Ribosom für Aminoacyl-tRNA, die A-Position, an der ein Elongationsfaktor (EF)-Paar und GTP beteiligt sind. Die folgende Bildung der Peptidbindung ist basenkatalysiert: die freie Aminofunktion wird durch Abzug eines Protons stärker nukleophil, so daß sie gemäß der nukleophilen Substitution den Ester von Carboxyl (Aminosäure) und Ribose (tRNA auf P-Stelle) angreift und die Aminosäure (unter Bildung der Säureamidbindung) übernimmt (das auf den Katalysator übertragene Proton neutralisiert das Alkoholat durch seine Rückübertragung). Es bildet sich im ersten solchen Schritt ein Dipeptid, in den Folgeschritten die um jeweils eine Aminosäure wachsende Peptidkette.
Um die Elongation nach diesem Gruppentransfer zu ermöglichen, muß die Translokation erfolgen: die GTPase Elongationsfaktor G treibt diesen Prozeß an (ist also ein sog. Motorprotein), die räumliche Verschiebung umfaßt ein Triplet. Die jetzt unbeladene tRNA verläßt nach getaner Arbeit das Ribosom, die mit dem Peptid beladene tRNA besetzt nun die P-Stelle und die nächste Aminoacyl-tRNA kann nun die A-Stelle belegen, womit wieder Kettenverlängerung erfolgt.
Stop-Kodons setzen das Signal zur Termination der Proteinbiosynthese. Chemisch muß nun das Protein von der Peptidyl-tRNA gelöst werden, der Ester muß also zu Ribose-OH und Protein-COOH hydrolysiert werden. Freisetzungsfaktoren (releasing factors = RF) erkennen Stop-Kodons und positionieren ein Wassermolekül genau wie es für die freie Aminofunktion (s.o.) geschieht, so daß die Basenkatalyse nun greifen kann, diesmal an H2O (das Proton führt zur OH-Bildung an der Ribose). Und auch im Rahmen der Termination ist GTP beteiligt: ein RF(3) setzt seine Kollegen RF1/2 wieder frei.
Durch Mutationen können übrigens Stop-Kodons innerhalb der kodierenden Sequenz entstehen: diese müssen dann zum Überleben neutralisiert (supprimiert) werden. Eine im Antikodon mutierte tRNA kann ein solches Stop-Kodon in Aminosäure übersetzen, was Schutz vor solchen Mutationen bietet, welche sonst zum vorzeitigen Abbruch der Proteinbiosynthese führen (Beispiel: die Tyr-tRNA (GUA) mutiert zu CUA, welche das Amber-Stop-Kodon als Tyr liest (welche Sequenz hat dieses, wenn es von CUA gelesen wird?) Eine mRNA kann übrigens mehr als einmal vor ihrem Abbau gelesen werden, wie S. H. Barondes und M. W. Nirenberg 1962 zeigten, dies sogar gleichzeitig in Polysomen.
Klinisch ermöglichen die strukturellen Unterschiede von eubakteriellen und eukaryotischen Ribosomen die Anwendung von Antibiotika, so Tetrazykline (hemmen die Beladung der Ribosomen mit Aminoacyl-tRNA) oder Erythromycin (hemmt Translokation). Wie wirkt β-Laktamantibiotikum Penicillin? Und an dieser Stelle ist zu beachten, daß großflächiger Einsatz von Antibiotika die Entwicklung von Resistenzen begünstigt, was von Ihnen als Verantwortliche für Antibiotikagabe zu bedenken ist.
Bei Infektion durch Corynebacterium diphtheriae wird die Proteinbiosynthese des Wirts durch ein AB-Toxin (Diphtherietoxin) gehemmt. Es bindet über sein Rezeptorteil an die Zelloberfläche, schleust danach die toxische Kette in die Zelle ein. Sie ist enzymatisch aktiv, was ihre Wirkung potenziert. Als Substrate für dieses Enzym dienen NAD+ (Nicotinamid wird frei, ADP-Ribose wird (substituierend) vom N-Atom des Nicotinamids auf seinen Akzeptor übertragen) und ein N-Atom des Imidazolringes von Diphthamid, eines modifizierten Histidins im eukaryotischen Elongationsfaktor 2. Solche ADP-Ribosylierung ist auch von den Pertussis- und Choleratoxinen bekannt (Zielprotein ist hier eine Untereinheit eines G-Proteins).
Und nun zum Regenschirmmord: es gibt potente AB-Toxine in Pflanzen wie das Ricin. Dessen Rezeptorteil B vermittelt die Anheftung an die Zelle (über Bindung von Galaktose), die A-Kette ist ein Enzym, und zwar eine 28S rRNA N-Glykosidase. Aus 28S rRNA wird spezifisch das Purin Adenin aus der Position A4324 entfernt (diese N-glykosidische Bindung wird gespalten). Nach Spaltung ist das Ribosom „kaputt“. Ricin ist somit ein hochwirksames Gift, eingesetzt als Wirkstoff in einem zum Mordwerkzeug (Injektionsapparat) umfunktionierten Regenschirm. Da Rizinusöl aus den Samen des tropischen Wunderbaumes (Ricinus communis) im kosmetischen und medizinischen Bereich Einsatz findet, hat man für Verwendungszwecke des zurückbleibenden Preßkuchens nach der Ölgewinnung gesucht, so als proteinreicher Teil von Düngemitteln. Vorsicht: wird dieses Material nicht ausreichend durch Erhitzung behandelt, bleibt es aufgrund des Ricins giftig (Todesfälle von Hunden in Parks belegen die zur Vorsicht mahnende Gefahr).
Zum Abschluß der Proteinbiosynthese noch die Erklärung, was raues endoplasmatischen Retikulum (ER) ausmacht und wie, damit verknüpft, Proteine konventionell sezerniert werden. Wenn Ribosomen am ER anliegen, spricht man vom rauen ER. Biochemisch vermittelt ein Signal (eine Sequenz mit hydrophobem Charakter) den Kontakt zwischen dem Proteinanfang, im Syntheseprozeß befindlich, und dem ER. Somit dockt das Ribosom über diese Sequenz am ER an, das Protein wird über seine Signalsequenz danach in das ER eingeschleust (wo diese Sequenz abgespalten wird) und nach Durchlaufen der ER-Golgi Route sezerniert. Ein solches Protein mit Signalpeptid nennen wir die Pre-Form, wird ein Protein in der Reifung weiter prozessiert, so führt dies die Pro-Form in das reife Protein über: ein Pre-Pro-Protein enthält also sein Signalpeptid (Pre) und muß prozessiert werden (Pro). Und hiermit haben wir den Weg von der mRNA zum Protein durchschritten.
Haben Sie Fragen?
Wenn ja, gehen Sie hierfür auf die sli.do Internetseite: https://app.sli.do/event/d3ixzczo
Der Code für Biochemie Fragen im WS 2020/21 lautet: # L072