4. Kalenderwoche: Mittwoch
Chemie der Aminosäuren: Grundlagen der Purin- und Pyrimidinsynthesen
Die Basen der Nukleinsäure sind stickstoffhaltig, und dieses Element wird durch Aminosäuren (unmittelbar und mittelbar) in die beiden Synthesewege eingespeist. Wir schreiben daher an dieser Stelle die Grundstrukturen des Pyrimidins und des Purins auf, womit es zu unserem Ziel wird, die Herkunft der N-Atome zu ergründen und die Synthese zu verstehen.
Diesen Weg beginnen wir damit, strategisch gezielt besondere Punkte der Biochemie der Aminosäuren zu wiederholen und dann die noch vorhandenen Lücken in der Besprechung der Aminosäuren zu füllen, d.h. die Dicarboxylaminosäuren zu besprechen.
Wir beginnen mit Aminosäuren: Die grundsätzliche Bifunktionalität von Amino (NH2)-Säuren (Carboxyl) ermöglicht nicht nur Kettenbildung (Proteinbiosynthese). Das Vorhandensein solcher funktioneller Gruppen (und weiterer reaktiver Positionen wie in Dicarboxylaminosäuren) ermöglicht auch weitere Syntheseprozesse (so auch Start der Pyrimdinsynthese).
Eine Aminosäure kann in diesem Sinne an der Carboxylgruppe in mehr als einer Art aktiviert werden. Wenn eine entsprechende Synthetase (ATP als Substrat) die Aminosäure zu einem Acyl-Phosphat (gemischtes Säureanhydrid) umsetzt, ist die Reaktion dieses Derivates mit einer NH2-Funktion möglich. So wird in der Glutathionsynthese Glutamat (Glu) in der γ-Position (Carboxylgruppe) entsprechend aktiviert und dann mit der NH2-Funktion von Cys durch γ-Glutamylcystein-Synthetase zu einem Dipeptid verknüpft (Glutathion entsteht dann weiter nicht-ribosomal durch analoge Reaktion des aktivierten Dipeptides mit Glycin). Die Acylphosphatbildung ist somit die Alternative zur Aminoacyladenylatbildung in der ribosomalen Proteinbiosynthese.
Die Aminosäure Serin ist ein Baustein in der Purinbiosynthese. Sie liefert die C1-Einheit für die vielfältigen Übertragungsreaktionen, die Tetrahydrofolsäure (THF) ermöglicht: das C-Atom der Hydroxymethylgruppe des Serins wird somit Bestandteil auch des Puringrundgerüstes (und eines Pyrimidins); daher an dieser Stelle die Biochemie von Tetrahydrofolsäure, ausgehend von der Serinhydroxymethyl-Transferase und damit der Bildung von N5,N10-Methylen-Tetrahydrofolat (THF), auffrischen (d.h. Bildung von N5-Methyl-THF (Met-Bildung), von N5,N10-Methenyl-THF (auch ein Produkt nach Übertragung der C1-Gruppe aus Formiminoglutamat (His-Abbau)) und N10-Formyl-THF (Bildung von N-Formyl-Met tRNA)). Durch Hydroxymethyltransfer entsteht aus Serin dann Glycin, und es wäre sehr plausibel, wenn auch diese Aminosäure dann zur Synthese von Purin genutzt würde (hm, sie könnte, wie eben angesprochen zum Acylphosphat aktiviert werden und mit einer NH2-Funktion reagieren).
Um die Synthesen der Basen der Nukleinsäure weiter vorzubereiten (und die Besprechung aller Aminosäuren zu komplettieren), wenden wir uns jetzt den Dicarboxylaminosäuren und ihren Derivaten zu. Die zweite Carboxylgruppe ist bestimmend für den isoelektrischen Punkt von Proteinen und ermöglicht ionische Bindungen mit den Seitenketten der basischen Aminosäuren Arg und Lys. Bezüglich der Strukturbildung von Proteinen und ihrer Interaktionen ist gleichfalls von Bedeutung, daß ein Säureamid gebildet wird. Asparaginsäure (ASPi Aminobernsteinsäure, 2-Aminobutandisäure) und Glutaminsäure (Glu, α-Aminoglutarsäure, 2-Aminopentandisäure) werden durch Amidierung zu Asparagin (Asn) und Glutamin (Gln) umgesetzt.
Woher stammt das Kohlenstoffgerüst dieser beiden Aminosäuren? Diese Betrachtung illustriert die Verknüpfung von Stoffwechselwegen. Zu ihrem Verständnis rufen wir uns eine Funktion von Pyridoxalphosphat in Erinnerung, nämlich seine Reaktion mit einer NH2-Gruppe zur Schiff’schen Base (Aldimin zu Ketimin-Umwandlung bereitet die Entstehung des Pyridoxaminphosphat vor). Die reversible Pyridoxal-Pyridoxamin Umsetzung ist die Grundlage der enzymatischen Transaminierung. Oxalacetat und α-Ketoglutarat liefern das Kohlenstoffgerüst für Asp und Glu.
Was passiert mit der α-Aminofunktion beim Aminosäureabbau? Die eben genannte Transaminierung überträgt in vielen Fällen diese Gruppe auf α-Ketoglutarat, so daß Glu eine zentrale Durchgangsstelle des Stickstoffstoffwechsels ist. In Mitochondrien kann die Glu-Dehydrogenase (NAD+ zu NADH) α-Ketoglutarat und Ammoniak (Harnstoffzyklus) herstellen. Um dieses Zellgift biologisch zu binden (in Mitochondrien durch Synthese von Carbamoylphosphat), gibt es die Glutanin-Synthetase (ATP aktiviert das Substrat Glu zum o.g. Acylphosphat für die Aufnahme des freien Ammoniaks, d.h. für die Säureamidbildung; gilt auch für die Asn-Synthese neben seiner Bildung aus Gln). Bitte beachten: in Mitochondrien wird NH3 durch Bildung von Carbamoylphosphat (im Zusammenspiel mit der Glu-Dehydrogenase) entgiftet, im Zytoplasma ist Gln die entgiftende Form des biologisch gebundenen Ammoniaks und damit möglicher NH3-Donor für Synthesen).
Glutamin läßt sich durch Glutaminase leicht spalten: in der Niere führt diese Reaktion maßgeblich zur Bildung von Ammoniak hin zu dessen Ausscheidung im Harn. Wir beachten, daß Gln somit ein biologischer Speicher für Ammoniak ist: aus Zellgift wird Baustein für Synthesen!
Und jetzt noch die Eröffnung eines wichtigen Analogieschlusses auf dem Weg zu unserem Ziel: neben Gln fungiert aus Asp als Donor von „Ammoniak“ in der Stickstoffentsorgung (aus Gift wird Erbsubstanz). Im Harnstoffzyklus entsteht (im Zytoplasma) aus Aspartat und Citrullin (mit ATP und dann Freisetzung von Pyrophosphat) Argininosuccinat; dieses wird durch eine Lyase (spaltet eine C-N Bindung ohne Hydrolyse) in Arginin (enthält die NH2-Gruppe von Asp) und Fumarat (wird uns sehr bald in einer Analogie begegnen) gespalten. Asp kann, wie ganz oben angedeutet, dank seiner beiden Funktionalitäten zur Ringbildung führen: wir nehmen Asp und Carbamoylphosphat (im Zytoplasma) und was passiert??
Haben Sie Fragen?
Wenn ja, gehen Sie hierfür auf die sli.do Internetseite: https://app.sli.do/event/d3ixzczo
Der Code für Biochemie Fragen im WS 2020/21 lautet: # L072