3. Kalenderwoche: Montag
Von mRNA zum Protein (II)
Der Fluß der Experimente von den Transformationen mit Fraktionen von Biopolymeren an Bakterien als Beleg für den Status der DNA als Erbsubstanz (1944) hin zur DNA Doppelhelix und der Vermutung, daß Basenkomplementarität es ermöglicht, genetisches Material zu kopieren (1953), leitete das Interesse hin zur Entschlüsselung der Beziehung von Nukleinsäuren zu Proteinen, griffig als „genetischer Code“ bezeichnet.
Diese Entwicklung profitierte fundamental von den Arbeiten zur Aktivierung von Fettsäuren im Labor von Fritz Lipmann. Inspiriert von den Entdeckungen der (besprochenen) Nutzung von ATP und der Bildung eines Acyladenylates, wendete Mahlon Hoagland, der im Lipmann Labor arbeitete, diese Einsichten auf die Konzeption entsprechender Experimente mit Zellextrakten in der Proteinbiosynthese an: es belegte die Bildung von Aminoacyl-Adenylat und Pyrophosphat auf dem Weg zum Protein.
Erstaunlicherweise fand man 1957 neben dem Konjugat von Aminosäure an AMP radioaktive Aminosäure auch kovalent gebunden an „lösliche“ RNA (tRNA). Zellfreie Proteinbiosynthese wurde somit möglich; sie konnte durch Nutzung 14C-markierter Aminosäuren quantifiziert werden, indem die Proteine durch Trichloressigsäure gefällt wurden (was bei basischen Proteinen wie Poly-Lysin nicht gelingt), das gefällte Material durch Filtration auf Filter gebracht wurde (s.u.).
Für die Konzeption des Schlüsselexperiments hin zum genetischen Code war eine weitere Entwicklung bedeutsam: die enzymatische Synthese von einzelsträngiger RNA durch Polynukleotid-Phosphorylase. Nukleotiddiphosphate werden unter Freisetzung von Phosphat zur Nukleinsäure verknüpft. Auf diese Weise waren Homopolymere wie PolyU (oder PolyA) für Experimente verfügbar, eine künstliche mRNA mit nur einer Base als Baustein (also einem Codewort).
Somit war jetzt das Testsystem für den Start der Entschlüsselung des genetischen Codes nahezu komplett, nämlich definierter Zellextrakt für Proteinbiosynthese (mit ATP & GTP) und eine Produktionsvorlage für Protein, das man durch Fällung (danach Filterung und Nachweis von Radioaktivität auf dem getrockneten Filter mit Szintillationsflüssigkeit (wandelt die β-Strahlung in Lichtimpulse um) in einem Zählgerät) erhält.
Heinrich Matthei im Labor von Marshall Nirenberg fehlten nun „nur“ noch die 14C-markierten Aminosäuren, die er herstellen mußte: Algen zog er mit 14C-Bikarbonat als Kohlenstoffquelle an, hydrolysierte dann das produzierte Protein und reinigte aus dem Hydrolysat jede einzelne der 20 Aminosäuren, eine unerläßliche Fleißarbeit als Vorbereitung zu einer Pionierleistung! Somit war es ihm möglich, 20 Ansätze vorzubereiten, in denen jeweils eine Aminosäure im Überschuß radioaktiv markiert vorliegt. PolyU sollte somit zur Produktion von Protein mit nur einer Art von Aminosäure führen, in einem der 20 Ansätze sollte es also ein stark radioaktives Protein geben.
Genau diesen Versuch führte H.M. am 26/27.5. 1961 durch und fand gegen 3 Uhr morgens die erste Bedeutung für ein Codon: PolyU bedeutet Poly–Phe! Als Kontrolle für die Funktion von polyU blockiert Zusatz von polyA durch Doppelstrangbildung die Proteinbiosynthese (wie bei RNAi), polyC liefert Poly-Pro, PolyA Poly-Lys (welches jedoch als basisches Protein nicht gefällt wird).
Polynukleinsäuren stöchiometrischer Verhältnisse, später Ribosomenbindungstest mit Trinukleotiden führten zum kompletten genetischen Kode (M. Nirenberg erhielt den Nobelpreis). Ein Kodewort (4 Buchstaben (Nukleotide) stehen zur Verfügung) muß spezifisch einer von 20 Aminosäuren zugeordnet werden. Wie lang muß ein Kodewort demnach sein?
Es wird bei Ihrer Berechnung klar, daß es mehr Kodeworte als Aminosäuren gibt (nämlich 61 Trinukleotide für Aminosäuren und 3 Stop-Signale). Erstaunlicherweise gibt es weniger als 61 tRNA Gene, d.h. einzelne Codons (Tripletts) werden von einer einzigen tRNA gelesen: wie geht das? Und es gibt (mindestens) einen Neuzugang einer Aminosäure (aufgrund ihrer besonderen Chemie für Redoxprozesse) zum genetischen Kode: wie ist das möglich? Antworten hierzu in der nächsten Folge.
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