Physiologische Chemie Tiermedizin
print

Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

3. Kalenderwoche: Mittwoch

Von mRNA zum Protein (III)

Mit den 4 Nukleotidbuchstaben lassen sich höchstens 4x4=16 Dinukleotide herstellen, so daß für die Kodierung einer Aminosäure (aus dem Alphabet von 20) ein Triplett notwendig ist. Aufgrund der L-förmigen Struktur der tRNA sind die Anknüpfungsstelle der Aminosäure (am -CCA Ende) und der Antikodonbereich (der mit dem Kodon auf der mRNA paart) räumlich weit voneinander entfernt. Die Basenkomplementarität zwischen Kodon (mRNA)–Antikodon (tRNA) bestimmt also die Aminosäure (diese wird aufgrund der Erkennung durch die spezifische tRNA–Aminoacyl-tRNA Synthese an ihre passende tRNA gebunden.

Also müssen wir uns die untere Seite des „L“ anschauen. Bezüglich der Strukturzuordnung im Rahmen der Basenkomplementarität ist die Antiparallelität der Einzelstränge eines doppelsträngigen Bereiches zu beachten; dies bedeutet, daß die Basen 1-3 im Kodon (mRNA) von den Basen 3‘-1‘ im Antikodon (tRNA) gelesen werden. Setzt man die Bedeutung von Kodons (also eigentlich die zugehörige Aminosäure) zur Sequenz des Antikodons in der tRNA in Beziehung, so erkennt man, daß bestimmte tRNA Moleküle mehr als ein Kodon lesen können. Die Phenylalanin-spezifische tRNA erkennt nicht nur „UUU“ (bitte beachten: polyU liefert polyPhe) sondern auch „UUC“. Diese Mehrdeutigkeit besteht immer in der 3. Base des Kodons. Sie wird strukturell auf begrenzten räumlichen Freiraum in der komplementären Position des Antikodons zurückgeführt: diese Base ist somit dazu prädestiniert, mögliche Paarungspositionen durch „Wackeln (wobbling)“ zu sondieren. Um diesen Vorgang und seine Konsequenzen zu be-greifen, zeichnen Sie jetzt folgende Konstellationen:

  1. zuerst die Base Guanin (mit Kennzeichnung der Position der N-glykosidischen Bindung) und komplettieren dann das Basenpaar mit der Base Cytosin (in der kanonischen G-C Paarung). Wenn Sie räumlich in der zweiten Zeichnung nun G genauso mit Uracil paaren wollen, klappt das natürlich nicht: es bildet sich nur eine H-Brückenbindung; in den anderen Positionen trifft NH auf NH, die beiden Oxofunktionen aufeinander; so wird das also nichts.

Wenn Sie nun „U“ leicht nach oben „wackeln“ lassen, bilden sich zwei NH-Oxo Kontakte, eine nicht-kanonische Basenpaarung (durch „Wackeln“).

Um das Verständnis zu vertiefen, führen Sie jetzt „wobbling“ mit U als Standard durch – und stellen fest, daß sich ebenfalls zwei Möglichkeiten der Paarung ergeben.

In tRNA Molekülen finden sich viele modifizierte Basen, so auch die Base Hypoxanthin (6-Oxopurin; 6-Aminopurin: Adenin), die das Nukleosid Inosin bildet. Anstelle der Aminofunktion des Adenins im Purin finden Sie die eine Oxofunktion im Hypoxanthin vor (Hypo deutet auf Möglichkeit der weitergehenden Oxidation zum Xanthin, dann zur Harnsäure hin; Abbau von Purinen). Der Ursprung von I aus enzymatischer Prozessierung erfolgt sequenzspezifisch übrigens auch in mRNA (und rRNA), dort „editing“ genannt, wie die C-zu-U Konversion.

Und nun die Aufgabe an Sie: mit welchen Basen kann Inosin kanonisch (ohne Wackeln) und nicht-kanonisch (mit Wackeln) mehr als 1 H-Brückenbindung bilden?

Durch die Regeln des „wobblings“ ist es gesichert, daß alle 61 kodierenden Tripletts mit den vorhandenen tRNAs übersetzt werden können. In der Natur werden übrigens die Tripletts begünstigt, die kanonische Paare ergeben. Wenn Sie jedoch an Mutationen denken, ist es sicher hilfreich, eine vollständige Abdeckung zur Verfügung zu haben, um den Abbruch der Proteinbiosynthese zu vermeiden.

Im Sprachgebrauch wird häufig von der Einbeziehung von 20 (Standard) Aminosäuren in die Proteinbiosynthese gesprochen. Aufgrund ihrer besonderen Chemie (durch Einbeziehung des Elementes Selen) ist die schon besprochene Aminosäure SeCys essentiell. Jedes einzelne in Ser-Analogen vorkommende Atom der 6. Hauptgruppe (O,S,Se) hat seine Mission in Ihrem Körper.

In Erythrozyten schützt das Tripeptid Glutathion (GSH geschrieben, wegen Cys-SH) insbesondere Hämoglobin und die Membran vor Schädigung durch „reactive oxygen species (ROS)“. So werden summerisch Peroxide (R-O-O-H) enzymatisch mit 2xGSH in H2O und R-OH umgesetzt, GSH dabei zum Disulfid oxidiert (Nutzung von GSH als Redox-Substrat der Peroxid-umsetzenden Reaktion (Peroxid-ase) führt zum Namen „Glutathion-Peroxidase“). Das Peroxid oxidiert die SeH-Gruppe (Selenol) von SeCys im Enzym (E-SeH) zur selenigen Säure (-SeOH), wird selbst (entgiftend) reduziert. SeOH reagiert nun mit GSH zu einem (gemischten) Selenyl-Sulfid (E-SeSG). Einbeziehung des zweiten Glutathions regeneriert E-SeH und bildet gleichzeitig GSSG, das durch NADPH (z.B. aus dem Pentosephosphatweg) reduziert wird. Mit einer Geschwindigkeitskonstante von nahezu 108/mol·sec ist diese Reaktion eine der schnellsten im Säugetierkörper (übrigens kann die Tendenz zu einer leichten Schädigung der Erythrozyten, hervorgerufen durch einen Mangel an Glucose-6-phosphat Dehydrogenase, welche NADPH zur GSH Regeneration liefert, einen Vorteil in endemischen Malariagebieten erbringen, nämlich geringere Besiedelung durch den Erreger (Plasmodien) – die ca. 400 Millionen Menschen mit dieser Mangelerscheinung leben bevorzugt in solchen Gebieten). Wie wird SeCys in den genetischen Kode eingeführt?

SeCys wird durch eine besondere tRNA in die Proteinbiosynthese eingebracht. Um nicht eine neue Synthetase zu benötigen, wird diese tRNA mit Serin durch die für diese Aminosäure zuständige Synthetase beladen. Ser-tRNA (SeCys) wird mit Monoselenophosphat als Se-Donor (enzymatisch aus zuerst Selenit/Selenat, reduziert zum Selenid, gewonnen) in Se-tRNA (SeCys) überführt. Im genetischen Kode wird SeCys durch Doppel-Deutigkeit des eigentlichen Stop-Kodons UGA (eben auch SeCys) untergebracht. Um „UGA“ kontextbezogen in SeCys (nicht Stop) zu übersetzen, bedarf es eines besonderen Sequenzelementes in den mRNAs der ca. 25 Selenoproteingene (im 3‘-UTR Bereich, SECIS genannt), eines SECIS Rezeptors, eines SeCys-spezifischen Elongationsfaktors und Akzeptanz am Ribosom über das L30 Protein.

Der Benutzung der Begriffe „ribosomales Protein & Elongationsfaktor“ bringt uns nun zur Besprechung der eigentlichen Proteinproduktion. Sie wäre frei in Lösung nicht sehr effizient: wenn mRNA und beladene tRNAs räumlich einander paßgenau zugeordnet werden, läuft die Synthese vom AUG-Starttriplett an wie an einem Fließband (und für die Einfädelung der mRNA sorgt ja die 7-MeG Cap Struktur mit einem Initiationsfaktor, wie schon besprochen). Das Verständnis dieser Vorgänge erklärt auch die Biochemie des Regenschirmmordes und mysteriöse Todesfälle von Hunden in süddeutschen Parkanlagen.

 

Haben Sie Fragen?

Wenn ja, gehen Sie hierfür auf die sli.do Internetseite: https://app.sli.do/event/d3ixzczo

Der Code für Biochemie Fragen im WS 2020/21 lautet: # L072