2. Kalenderwoche: Montag
Über RNA Interferenz
Gene verbindet man begrifflich fast automatisch mit einer Kodierungskapazität für Proteine, ausgedrückt im Dogma, daß Transkription (zu mRNA) und Translation (zum Protein) verbunden sind. Daß ribosomale (r) und Transfer (t) RNA ihre eigenständigen Bereiche im Genom haben, belegt, daß Transkriptionsprodukte auch als RNA Funktionen ausüben. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß rRNAs und tRNAs durch intramolekulare Basenkomplementarität Strukturen bilden, daß die Sequenz der Transkriptionsprodukte also strukturbildende Information enthält. In den genannten Fällen erfolgt die Sequenzerkennung mit Doppelstrangbildung, z.B. zur Kleeblattstruktur der tRNA, im selben RNA Strang.
Führen wir in Gedanken dieses Prinzip einen Schritt weiter, könnte ein Transkriptionsprodukt einen doppelsträngigen Bereich mit einem anderen RNA Molekül bilden, auf der Basis der Basenkomplementarität. In diesem Sinne wäre ein Stück von RNA dazu befähigt, spezifisch mit einem anderen RNA Strang einen doppelsträngigen Bereich zu bilden, womit dieses Stück mit dessen Funktion interferieren könnte. Ein solches Phänomen, nämlich die RNA Interferenz (RNAi), liegt der posttranskriptionellen Regulation von ca. 60 % unserer Gene zugrunde: kurze RNA Bereiche (guides) markieren komplementäre Sequenzen (targets) auf Protein-kodierenden mRNAs durch die Doppelstrangbildung. Dies führt dann unter Beteiligung besonderer Endonukleasen zur Spaltung (wir haben die Familie der Restriktionsendonukleasen als Beispiel für solche Enzyme besprochen). Wie verläuft die RNA-Interferenz?
RNA Polymerase II (auch Nr. III) transkribiert die Sequenz von Genen für regulatorische („non-coding“) RNA, micro (mi) RNA genannt (miRNA kann auch aus Intron s (dann Mirtron oder dem nicht-translatiertem Bereich von mRNA entstehen). Das bestimmende Strukturmerkmal des Transkriptionsproduktes (es heißt primäre (pri) miRNA) ist das Auftreten von einem Doppelstrang-Schleife (stem-loop) Bereich.
Diese pri-miRNA wird noch im Zellkern prozessiert, nämlich jeweils vor dem doppelsträngigen Stamm. An beiden Stellen wird die RNA durch die Endonuklease Drosha geschnitten (fragmentiert); ein RNA-bindendes Protein (DGCR8) positioniert dieses Enzym.
Das entstehende Stamm-Schleife Stück wird unter Nutzung der Energie von GTP Hydrolyse (Frage: welche Reaktion produziert im Stoffwechsel GTP?) durch Exportin-5 aus dem Zellkern geschleust und dort einem zweiten Prozessierungsschritt unterworfen. Die Schleife wird von der Ribonuklease Dicer geöffnet, so daß jetzt die reife miRNA, ein doppelsträngiges RNA Stück mit einer Länge von ca. 20-25 Nukleotiden, entsteht. Das Erkennungsprotein TRBP hilft dem Dicer bei der spezifischen Bindung. Die miRNA ist biologisch aktiv. Solche doppelsträngigen RNA Stücke können auch durch Prozessierung von RNA aus exogenen Quellen, z.B. viralen Genomen, entstehen, jetzt „short interfering“ (si) RNA genannt, und Sie selbst können entsprechende Sequenzen herstellen, um Genexpression im Labor zum Schweigen zu bringen („to silence gene expression“), denn dies kann die reife miRNA: wie?
Der Doppelstrang wird durch eine Helicase (s. auch Replikation) in die Einzelstränge getrennt, von denen einer als „guide-RNAi silencing complex (RISC)“ eingelagert wird. Seine katalytisch aktive Komponente ist ein Argonaute (Ago) Protein (beim Menschen sind Ago1-4 bekannt). Ago-vermittelte Doppelstrangbildung von „guide & target“ RNAs blockiert die Nutzung der Ziel-mRNA in der Proteinbiosynthese und initiiert die endonukleolytische Prozessierung durch Ago und damit den Abbau der mRNA (oder der Virus RNA). Im letztgenannten Fall wird gerne von einer RNA-gesteuerten Immunität gegen Viren gesprochen.
Dieses Prinzip der durch Sequenzkomplementarität gesteuerten Prozessierung von Nukleinsäure läßt sich von der RNA Ebene auch auf die DNA übertragen, und dies ist realisiert. Im Genom bestimmter Bakterien finden sich kurze Sequenzen, die von pathogenen Viren stammen, „clustered regularly interspaced short palindromic repeats (CRISPR)“ genannt. Die aus deren Transkription stammenden „guide RNAs“, das Äquivalent zu miRNA, führen das Ago Äquivalent, hier die bakterielle Cas9 Endonuklease, zur Zielsequenz, also dem abzubauenden Virusgenom. Nun, wenn man diese „guide RNA“ neu konzipiert, kann man mit dem bakteriellen Enzym gewünschte DNA Sequenzen im Labor treffen, wenn es keine sogenannte „off-target“ Reaktion gibt.
Eine mRNA, die nicht Ziel von miRNA im RISC ist, wird sich durch ihre cap-Struktur am 5‘-Anfang (bitte zeichnen; diese Struktur ist auch im gegenwärtig verwendeten Impfstoff (auf RNA Basis) gegen SARS-CoV-2 zu finden) nun in den Translationsprozeß eingliedern, den wir in der nächsten Folge besprechen.
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